Soundscape [saʊndskeɪp]
Der Begriff Soundscape setzt sich aus den englischen Wörtern Sound (Klang/ Geräusch) und Scape (Landschaft) zusammen und bedeutet übersetzt Klanglandschaft. Der Begriff erhielt Ende der 60er Jahre durch den Klangforscher und Komponist R. Murray Schafer Einzug in die Musikpraxis, Medientheorie, Soziologie, Stadt- und Landschaftsplanung.
R. Murray Schafer definiert eine Klanglandschaft (Soundscape) als das Zusammenwirken aller akustischen Ereignisse an einem Ort, zu denen Naturklänge, Sprache, Arbeits- und Maschinengeräusche sowie Musik zählen. Schafer deutet unsere akustische Umwelt selbst als eine musikalische Komposition. Im Zentrum seiner Überlegung steht der Mensch als Komponist und Produzent und sein Einfluss auf den weltlichen Klang.
Ende der 60er Jahre gründete Schafer in Zusammenarbeit mit der Simon Fraser University Vancouver das World Soundscape Projekt (WSP), ein interdisziplinärer Kreis aus Architekten, Künstlern und Soziologen die hörbare Umgebungen erforschten. Die Soundscape Ecology (Akustische Ökologie) untersucht Klanglandschaften und deren Wechselwirkung mit Menschen und anderen Lebewesen. Diese wissenschaftliche Disziplin entstand vor dem Hintergrund der zunehmenden Industrialisierung und Verstädterung.
Schafer weißt in seinem Buch The Tuning of The World darauf hin, das sich unsere Klanglandschaft von einer Hi-Fi- zu einer Lo-Fi-Soundscape verändere. Während in Hi-Fi-Soundscapes (Ländliche Umgebung) auch die leisesten Klänge hörbar sind, werden diese in den Lo-Fi-Soundscapes (Urbane Umgebung) aufgrund des kontinuierlichen Rausch- und Lärmpegels verdeckt. Das differenzierte Hören ist in einer solchen Umgebung erheblich beeinträchtigt und kann laut Schafer zu einem Orientierungsverlust führen. Eine weitere Irritation entsteht seiner Meinung durch die Aufnahme-, und Wiedergabetechnologien bei denen der Klang von seinem Ursprung getrennt wird. Schafer verwendet für diese Bezugslosigkeit von Klang und Sinn den Begriff “Schizophonia“. Laut Schafer hat jeder gehörte Klang eine subjektive Botschaften und Bedeutung. Er ist überzeugt, dass jeder Klang untrennbar mit dem Mechanismus, der ihn produziert, verbunden und dadurch nicht nur einzigartig, sondern auch vergänglich ist. Ausgehend von Schafers Soundscape-Denken haben sich verschiedene Formen der Soundscape Komposition und der Arbeit mit Field Recordings entwickelt.
Die Soundscape-Komposition porträtiert meist einen Ort oder eine Situation, indem sie den Bezug zur Klangquelle bewusst aufrecht erhält. Das Stück “Horns & Wistles“, ein Hörbild der Skyline von Vancouver, in dem die Nebelhörnern durch ihren Hall den typi- schen Klang der Landschaft der Nordküste wiedergeben ist exemplarisch für die frü- hen Werke aus dem Umfeld des World Soundscape Projekt.
Hildegard Westerkamp, die bereits mit R. Murray Schafer am WSP arbeitete, beschreibt ihre Arbeit als eine Art Klang-Recycling – einer Wiederverwendung nicht gehörter Umweltklänge. Für Sie ist die akustische Umwelt eine Sprache, die sich uns mitteilt und über den Zustand der Natur und Gesellschaft informiert. Beim Komponieren mit Umweltklängen spricht Westerkamp von einer Beziehung zwischen Komponist und Soundscape, bei der die Klänge selbst Einfluss auf die musikalischen Struktur nehmen. Kids Beach Soundwalk ist eines ihrer bekanntesten Stücke bei dem sie für ihre Radiosendung einen Sound Walk aufgenommen und kommentiert hat.
Barry Truax ehemaliger Assistent und Nachfolger von R. Murray Schafer an der Fraser Universität ist der Ansicht, dass der Rezipient selbst immer Teil seiner Geräuschwelt ist und zum Kreislauf der Wahrnehmung und Erzeugung von Geräuschen dazu gehört. Die Integration der klanglichen Texturen der Umwelt in die musikalische Komposition führt laut Truax zu einer Überlagerung einer natürlichen Lebenswelt hin zu einer vollständig künstlich geschaffenen Hörwelt, die er als digitale Soundscapes bezeichnet. Entgegen der konkreten Musik betont Truax jedoch wie Westerkamp die für ihn wesentliche Bedeutung der Klänge selbst und deren kommunikativen Aspekte: „Für mich soll Kunst das wahre Leben kommentieren. […]. Sonst bleibt es bei einer bloßen Montage und Collage, die man den Menschen vorspielt (Barry Truax).
Der Biologe und Klangkünstler Franzisco Lopez, vertritt den Standpunkt, dass repro- duzierte Klänge grundsätzlich als eigenständig und losgelöst von der Klangquelle betrachten werden müssen. Laut Lopez sind Mikrophon und Aufnahmegeräte keine neu- tralen Medien, sondern nehmen direkten Einfluss auf den ursprünglichen Klang. Zugleich gibt es für ihn keine einzelnen Klang-Objekte, sondern die Aufnahmen bestehen immer aus einer Vielzahl produzierender Instanzen. Um diese besondere Eigenschaft von Soundscapes zu beschreiben, verwendet Lopez den Ausdruck “sound matter“. Er legt großen Wert darauf, dass der Hörer sich auf den inneren Klang seiner Werke konzentriert. Seine Werke bestehen aus Soundscape-Montagen, wie beispielsweise das Stück “La Selva“, in dem er verschiedene Fieldrecordings aus dem Regenwald in Costa Rica zu einem langen fließenden Track aneinander setzte. Um den Bezug zum Klangverursacher zu verschleiern, verzichtet er meist auf eine Betitelung seiner Stücke und lässt die Zuhörer seiner Konzerte Augenbinden tragen (blind listening).
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Literatur:
Barry Truax: Acoustic Communication. 2nd edition. Ablex Publishing, Westport CT u. a. 2001
Cathy Lane & Angus Carlyle: In the Field. The Art of Field Recording. Uniformbooks. 2013
Franzisco Lopez : Profound Listening and Environmental Sound Matter. In: Cox, Christoph; Warner, Daniel: Audio Culture. Reading in modern music. Continuum. New York. 2004
Hans Ulrich Werner: Soundscape-Dialog. Landschaften und Methoden des Hörens. Edition Zuhören. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2006
R. Murray Schafer: The Soundscape: Our Sonic Environment and the tuning of the World. Destiny Books 1977. Neuauflage 1994.
R. Murray Schafer: Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens. Neu übersetzte, überarbeitete und ergänzte deutsche Ausgabe hrg. von Sabine Breitsameter. Schott Music, Mainz 2010
Hans Ulrich Werner: Soundscape-Dialog. Landschaften und Methoden des Hörens. Edition Zuhören. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2006
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Links:
Sound Studies – Text von Holger Schulz:
Hildegard Westerkamp (Sound Artist)
Francisco Lopez (Sound Artist)
Christina Kubisch (Sound Artist)